Bernd Maether: „Denn ich bin ein Genießer“. Eine kulinarische Zeitreise durch Fontanes Leben, Würzburg: Königshausen & Neumann 2019, kart., 425 Seiten, ISBN 978-3-8260-6714-3, 29,80 Euro
Die Lektüre vermittelt den Eindruck einer unglaublich gründlichen Recherche und Stoffsammlung. Wer angesichts des Titels eine öde Sammlung von Menüs, Einladungen, geselligen Zusammenkünften und Speisen und Getränken nach Fontanes Gusto erwartet hat, wird aufs angenehmste enttäuscht (wenngleich ein oder mehrere Register mit Zeitangaben wünschenswert wären, schon um die beeindruckende Stoffsammlung zu dokumentieren).
Maether hat diese Gefahr durch seine überzeugende Gliederung vermieden. Sein Vorwort macht deutlich, dass ihn vor allem der Genussmensch Fontane interessiert; in seinem Prolog, in dem Fontane bereits häufig selbst zu Wort kommt, spürt er ausführlicher diesem Aspekt nach und setzt sich von den anderen Veröffentlichungen zur Thematik durch seine Auswertung von Haushaltsbüchern, Briefen und Tagebucheinträgen ab. Er hält es für falsch, die Aussagen aus den Romanen ungeprüft auf Fontanes Leben zu übertragen.
Seine Kapitelüberschriften lauten demnach
Ess- und Tafelgewohnheiten der Kindheit (35ff), Tafelrunden und Geselligkeit im Hause Fontane (43ff), Haushaltsführung im Hause Fontane (133ff), Kulinarische Vorlieben, Einkauf von Lebensmitteln für die Zubereitung der Speisen – Einblicke in die Haushaltsbücher (169ff), Gesellschaften bei Freunden und Bekannten (255ff), Berichte über Fontanes Restaurantbesuche (319ff), Fontanes kulinarische Einschätzungen anderer Länder und Regionen (337ff), Die besonderen Menüs (375ff) und Gesundheit und Gesundheitstipps Fontanes (391ff).
Was folgt, müsste eigentlich einem Anhang eingefügt werden: es ist wie die vorangegangenen Kapitel-Überschriften durchnummeriert:
11. Ergebnis, Einschätzung, Zukunft (407f), 12. Worterklärungen (409-411),
13. Abkürzungen Archive/Bibliotheken/Sammlungen (412-414) und
14. Literaturverzeichnis (415ff), gefolgt vom Abbildungsverzeichnis (425).
Was die Lektüre reizvoll macht, sind die Zitate Fontanes aus Briefen, Tagebucheinträgen und autobiografischen Schriften. Sie sind so vielfältig, dass eine Rezension unmöglich alle würdigen kann; aber sie belegen neben den Romanen die scharfe und immer subjektive Beobachtungsgabe Fontanes. Besondere Freude haben mir – und gelegentlich meinen Zuhörern – die eingestreuten Gelegenheitsgedichte bereitet (49f, 73, 92 u.ö.) bereitet.
Darunter stechen die heraus, die der Speisenzubereitung (Weißrübensuppe, 114) oder bestimmten Getränken (Bowle, 234-236; Rum, 69 par.229) gewidmet sind.
Auf diese Weise wird man ganz unauffällig auf die unübersehbare Fülle von Toasts, Geburtstags- und Geschenk-Begleitgedichte, mit denen Fontane sein Leben und das seiner Bekannten und Freunde zu verschönern wusste, aufmerksam gemacht.
Und wenn man sich vergegenwärtigt, welche Arbeit in der regelmäßigen Führung eines Haushaltsbuches steckt, kann man sich über das Ausmaß von Kontrolle wundern, oder die Konsequenz einer solchen Haushaltsevaluation loben. Es ist unmittelbar plausibel, dass allein für eine solche Aufgabe ein Hausmädchen erforderlich war. Eine Haushaltsbuch-Seite findet sich als Abbildung (178).
Maether gelingt es, eine bislang wenig bekannte Seite Fontanes zu beleuchten; und die reizvollen, zum Teil ironischen und bissigen Zitate garantieren eine unterhaltsame und streckenweise amüsante Lektüre.
Die Lektorierung des Buches ist allerdings blamabel. Ich erspare es mir, die Vielzahl grammatischer und syntaktischer Fehlgriffe aufzulisten.
Zugleich ist Maethers Arbeit ein Staunen erregender Beleg für die Möglichkeit, biografische Forschung allgemeinverständlich zu gestalten. Jeder Liebhaber Fontanes wird es ihm danken.
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